Das Kirchenrecht sieht alle fünf Jahre eine bischöfliche Visitation in den Pfarreien vor. In den zum
Pfarrverband Marktl gehörenden Pfarreien liegt der letzte Visitationsbesuch schon mehr als 20 Jahre
zurück. Im bischöflichen Auftrag nimmt Domdekan Dr. Hans Bauernfeind die Aufgabe als Visitator wahr.
Zum Auftakt zelebrierte der Leiter des Seelsorgeamtes zusammen mit Pfarrer Peter Meister und
Pfarrvikar Sarves den Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Oswald in Marktl. In seiner Predigt bat er
die Gläubigen, nicht nur Denkmodellen der Vergangenheit nachzuhängen, sondern das Heute in den
Mittelpunkt zu stellen und dabei das Herz nicht zu verschließen. Christen sollen sich zuversichtlich
von Jesus begleiten und Kraft spenden lassen. Als Weltbürger mit Liebe zum Nächsten sollen sie
solidarisch leben. Ihr christliches Leben soll gesellschaftsrelevant sein und andere nachdenklich
stimmen. Dabei sei es wichtig, die Botschaft Jesu zeit- und gesellschaftsgerecht vorzutragen,
miteinander und nicht übereinander zu sprechen und die Anliegen ins Gebet zu nehmen.
“Lasst uns, verbunden mit Jesus Christus, gemeinsam heute Kirche sein!”
Mit diesem Aufruf fasste Dr. Bauernfeind die Gedanken seiner Predigt eindrücklich zusammen.

Nach dem Gottesdienst fand die Auftaktveranstaltung im gut gefüllten Marktler Pfarrsaal
ihre Fortsetzung. Der Ortspfarrer konnte neben der Geistlichkeit auch den Visitationssekretär
Markus Sturm, Gemeindereferent Klemens Fastenmeier, die Kirchenpfleger und PGR-Vorsitzenden,
weitere Gremiumsmitglieder und Ehrenamtliche der vier Pfarreien begrüßen.
Anknüpfend an sein Predigtthema sprach der Visitator ein Gebet zum “Hier und Jetzt” mit
der Bitte um Inspiration durch den Hl. Geist. Den ersten Teil der Gesprächsrunde gestaltete Dr. Bauernfeind.
Er begann mit der Vision, die alle Katholiken leiten sollte: an einen Gott zu glauben, der Heil schenkt
und nicht Angst macht und Jesus als Bruder sehen, der Frieden, Liebe und Solidarität in die Welt bringt.
Die Kirche sei vielen Umbrüchen ausgesetzt: Individualisierung mit dem hohen Anspruch,
als Mensch persönlich wahrgenommen zu werden, Digitalisierung als Segen und Herausforderung,
Materialismus, immer weniger Ehrenamtliche machen immer mehr, Personal- und Gläubigenmangel,
Schwierigkeiten, junge Leute zu erreichen, Sprachlosigkeit bei Glaubensthemen, Missbrauch und Skandale.
Um die Chancen der Kirche vor Ort zu erkennen, sei es notwendig, Fragen zu stellen:
“Was brauchen wir, was bereichert uns, was ist verzichtbar?” Gerade die Visitation sei sowohl
für die Diözesanleitung als auch die Mitarbeitenden in den Pfarreien eine wichtige Gelegenheit
der ehrlichen Bestandsaufnahme vor Ort.

Markus Sturm eröffnete und moderierte die Diskussionsrunde. Dabei ging es um knapper werdende Finanzmittel, die das Wirtschaften der Pfarrkirchenstiftungen nicht einfacher macht. Wenn sich dann die Kosten für die Sanierung einer denkmalgeschützten Friedhofsmauer um die kleine Filialkirche Bergham um das Siebenfache auf einen sechsstelligen Betrag erhöht, wirkt sich das bis auf die kleinste Anschaffung in der Pfarrei Marktl aus. Der Kirchenpfleger wünschte sich deshalb eine Unterstützung gegenüber dem Landesdenkmalamt von “oberster Bistumsstelle”.
Dem Ansinnen, einer Förderung aus dem Vermögen desbischöflichen Stuhls wurde eine Absage erteilt, weil die Gelder dort nur zweckgebunden ausgegeben werden dürfen.
Ein Zuhörer regte die Einführung eines Besuchsdienstes für Kranke, Einsame und Zugezogene an. Ein weiterer Zuhörer betonte die Wichtigkeit vertiefender religiöser Angebote, um die Gläubigen sprachfähig in Glaubensfragen zu
machen. Es wurde die Frage gestellt, wie das Interesse am Glauben geweckt und wie der Glauben eingeübt werden könne, gerade bei Kindern. Dazu passte die Anregung, keinesfalls Abstriche an der Jugendarbeit zu machen und weiterhin an Großveranstaltungen als Glaubenserfahrung festzuhalten. Dies hat der Visitator zugesichert.
Aus dem Pfarrgemeinderatsvorsitz wurde dargestellt, dass die zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden des Gemeindereferenten und der Pfarrsekretärinnen nicht ausreichend seien. So könne das gute Netzwerk des Gemeindereferenten nicht optimal genützt werden und Ehrenamtliche müssten das Pfarrbüro unterstützen. Der Visitationssekretär konnte zumindest berichten, dass trotz sinkender Gläubigenzahlen die Arbeitsstunden im Pfarrbüro nicht weiter gekürzt werden. Es wurde auch bemängelt, dass aufgrund nach wie vor anderweitiger Arbeitsvorgänge der Pfarrer nicht immer den gewünschten Seelsorgegesprächen nachkommen kann. Aus der Runde kam auch die Wahrnehmung, dass die “nicht theologisch qualifizierte” Mitarbeit von Ehrenamtlichen, beispielsweise in einfachen Diensten, zu wenig wertgeschätzt wird.

Nach einer dreistündigen intensiven Gesprächsrunde räumte Dr. Bauernfeind ein, dass die Probleme erkannt sind und dennoch auch er auf viele drängende Fragen keine Antwort habe. Die Verantwortlichen in den Pfarrverbandspfarreien sind aufgerufen zu überlegen, welche Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden können. Dazu besteht bei der Visitationsklausur am 8. Februar im Haus der Begegnung in Burghausen Gelegenheit.Im Rahmen der Visitation wird es weitere Besuche und Begegnungen geben; so am 8. März mit den Mitgliedern der Kirchenverwaltungen und Pfarrgemeinderäte im Haus der Pfarrgemeinde in Stammham und am darauffolgenden Sonntag mit allen Pfarrangehörigen beim Abschlussgottesdienst, wieder in der Marktler Pfarrkirche.